Das Ministerium für Staatssicherheit
Ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland wurden auch in der Deutschen Demokratischen Republik nachrichtendienstliche Organisationen aufgebaut. Allerdings beschränkte sich die DDR anders als im zum Teil föderativ aufgebauten BRD-Nachrichtendienstsystem mit seinen etwa 20 eigenständigen Organisationen auf lediglich zwei Nachrichtendienste.
Auf dem militärischen Gebiet fungierte die dem Ministerium für Nationale Verteidigung (MfNV) angeschlossene Militärische Aufklärung der Nationalen Volksarmee als Nachrichtendienst. Von wesentlich größerer Bedeutung sowohl als Geheimdienst im Inlands- und Auslandsdienst als auch mit polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsaufgaben befasstes Staatsorgan war das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Eine wichtige Aufgabe des MfS war die Überwachung, Erfassung und Manipulation des politischen Meinungsbildes der DDR-Bürger im Sinne von vorgegebenen SED-Parteilinien.
Das umgangssprachlich auch als „Staatssicherheitsdienst“, „Staatssicherheit“ oder „Stasi“ bezeichnete MfS ging auf Vorläuferorganisationen der unmittelbaren Nachkriegszeit in der sowjetisch besetzen Zone zurück. Für Aufgaben der pro-sowjetischen Propaganda und der Ausforschung des Meinungsbildes in der Bevölkerung hatte die sowjetische Militäradministration 1945 damit begonnen, die Ämter für Information zu bilden, deren Personal zumeist von ehemaligen Spanien-Kämpfern oder Ex-Angehörigen der militärischen Partei-Organisation der KPD gestellt wurde. Kurz nach Gründung der Deutschen Verwaltung des Inneren (DVdI) als zentral organisierte Polizeibehörde (Juli 1946) wurden die Dienststellen der Politischen Polizei als für „sonstige Straftaten“ zuständige Abteilung K5 (Kriminalpolizei 5) im Januar 1947 zusammengefasst. Die K5-Mitarbeiter kamen insbesondere bei der Fahndung nach NS-Tätern sowie bei der Verifizierung von Aussagen vor den Entnazifizierungskommissionen zum Einsatz. Daneben nahmen sie aber auch Abhör- und Überwachungsaufgaben in Fernmeldeverkehr wahr.
Mit der Gründung der DDR 1949 wurde die DVdI zum Ministerium des Innern umorganisiert. Die K5-Abteilung erhielt die verschleiernde Bezeichnung „Hauptverwaltung zum Schutze der Volkswirtschaft“. Ein Jahr später entstand nach entsprechenden Politbüro- und Ministerratsbeschlüssen aus der von Erich Mielke (1907-2000) geleiteten Hauptverwaltung ein eigenes Ministerium: Das MfS. Die formale Rechtsgrundlage bildete das am 8. Februar 1950 in der Volkskammer beschlossene „Gesetz über die Bildung eines Ministeriums für Staatssicherheit“. Erster Minister wurde nicht Erich Mielke, sondern der Polizeifachmann Erich Zaisser (1893-1958). Mielke wurde als Staatssekretär einer von Zaissers Stellvertretern.
Als Reaktion auf das mutmaßliche aufklärerische Versagen des MfS im Vorfeld des Aufstandes vom 17. Juni 1953 verlor es seinen Ministeriums-Rang und wurde als Staatssekretariat für Staatssicherheit (SfS) dem Ministerium des Innern angegliedert. Zaisser wehrte sich. Er warf seinerseits der Partei-Spitze um Walter Ulbricht Versagen vor und forderte mit Rückendeckung des nach Stalins Tod starken Mannes in der Sowjetunion, Lawenti Beria, die Ablösung Ulbrichts. Der Versuch, Ulbricht zu stürzen, misslang, weil Berija von Nikita Chruschtschow, der Ulbricht unterstützte, entmachtet worden war. Zaisser wurde abgesetzt, die Leitung des SfS übernahm Ernst Wollweber (1898-1967). Wegen „Fraktionismus“ musste Wollweber die Leitung des 1955 wieder zum Ministerium aufgestuften MfS 1957 an Mielke abgeben.
Unter Mielke wurde das Schwergewicht der MfS-Tätigkeit insbesondere nach dem „Mauerbau“ (1961) und dem „Prager Frühling“ (1968) auf die Aufspürung und Repression vermeintlicher und tatsächlicher Regime-Gegner gelegt. Die geheimdiensttypischen Aufgaben der Spionage und Spionageabwehr verloren im Vergleich zu den 1950er Jahren an Bedeutung. Die überaus effektiven Spionage- und Spionageabwehr-Experten des MfS zählten dennoch zu den weltbesten Agenten. Westliche Geheimdienste haben es nie geschafft, wichtige Schnittstellen des DDR-Geheimdienstes zu infiltrieren. Andererseits konnte die für den DDR-Auslandsgeheimdienst zuständige Hauptaufteilung Aufklärung zahlreiche ihrer Agenten an wichtigen Positionen im gegnerischen Lager platzieren. Besonders erfolgreich waren der von 1977 bis 1989 in höchsten NATO-Stellen spionierende Agent Rainer Rupp („Topas“) sowie der zum Berater von Bundeskanzler Brandt aufgestiegene MfS-Hauptmann Günter Guillaume.
Die MfS-Mitarbeiter, durchweg SED-Mitglieder beziehungsweise –Kandidaten, verstanden ihre Organisation als „Schuld und Schwert der Partei“. Dienstlich bedingte Verstöße gegen Menschenrechte oder gegen DDR-Gesetze erschienen der Mehrheit der MfS-Mitarbeiter in Hinblick auf den Schutz des SED-Staates als opportun. Außerhalb der SED hatte das MfS in de Öffentlichkeit ein schlechtes Image als unangreifbare Spitzel- und Repressionsmaschinerie, die sich in nahezu alle Belange des alltäglichen und privaten Lebens einzumischen schien.
In den 1970er Jahren verlegte sich das MfS unter Rücksichtnahme auf die weltpolitische Großwetterlage und das Bemühen der DDR-Führung um internationale Anerkennung (Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte 1973) bei ihrer Tätigkeit vermehrt auf „weiche“ Methoden wie „Zersetzung“ oppositioneller Strukturen durch Einsatz von „inoffiziellen Mitarbeitern“ (IM). Die Anzahl der IM soll 1978 über 200.000 betragen haben.
Ende 1989 wurde das MfS nach der Wende in der DDR in „Amt für Nationale Sicherheit (AfNS)“ umbenannt. Mielke wurde von seinem Stellvertreter Wolfgang Schwanitz (geb. 1930) abgelöst. Nach massiven Bürgerprotesten wurde das Amt am 13. Januar 1990 aufgelöst.
Dem als militärische Organisation aufgebauten MfS gehörten 1950 2700 hauptamtliche Mitarbeiter an. 1989 waren es über 90.000. Die weitgehenden Aufgaben des MfS, das parlamentarischer und richterlicher Kontrolle entzogen und formal dem Ministerrat, aber faktisch allein dem Politbüro unterstellt war, wurden von der Zentrale in Berlin-Lichtenberg gesteuert. Der Zentrale waren Bezirksverwaltungen in den DDR-Bezirken zugeordnet, denen wiederum Dienststellen auf Kreis- und Gemeindeebene unterstellt waren. Fachlich linear gliederte sich die MfS-Struktur in Hauptabteilungen, Abteilungen, Arbeitsgruppen und Büros. Zu den zahlreichen Spezialgruppen gehörten auch die für die inoffizielle Devisen-Beschaffung im kapitalistischen Ausland zuständige Arbeitsgruppe Bereich Kommerzielle Koordinierung (geleitet von Oberst Alexander Schalck-Golodkowski) und das Büro der Sportvereinigung Dynamo. Ferner gehörten Haftanstalten wie die für ihre Folterpraxis berüchtigte Untersuchungshaftanstalt Berlin-Höhenschönhausen zum MfS. Ebenfalls dem Ministerium für Staatssicherheit unterstand das 11.000 Mann starke Wachregiment Feliks Dzierzynski, das umfangreiche Sicherungsaufgaben erfüllte.